Sonntag, 13. September 2015

Page 365 of 365 - Der obligatorische '1 Jahr USA, das muss gefeiert werden' Post.

12 Monate, 52 Wochen, 365 Tage, 8760 Stunden - kurz gesagt genau 1 Jahr ist es her, seitdem ich in mein "Abenteuer AuPair in America" aufgebrochen bin. Kaum zu glauben, was?
Zu diesem doch etwas besonderen Jubilaeum (obwohl ich noch 9 Monate bleibe) habe ich beschlossen, heute ein kleines Fazit zu schliessen. Zu meinen Erlebnissen, Erfahrungen, Erkenntnissen und dem AuPair sein an sich.
Also, wer sich bereit dazu fuehlt, nachfolgend einen Roman zu lesen - viel Spass! :)


In einem Jahr kann man viel lernen, habe ich herausgefunden. Ueber sich selbst, ueber andere, die Welt, das Leben an sich. Man koennte fast sagen, es werden einem die Augen geoeffnet und ploetzlich sieht man manche Dinge, die einem so lange Zeit Kopfzerbrechen bereitet haben, viel klarer und alles macht einen Sinn.
Ich habe viel ueber mich gelernt. Zum Beispiel, dass ich in den naechsten zehn Jahren wahrscheinlich keine Kinder bekommen werde, das besagte Kinder Engel und Teufel zugleich sein koennen und ich sie am Ende eines nervenaufreibenden Tages trotzdem noch ueber alles liebe. Ich habe heraus gefunden, dass ich doch gar nicht so geduldig bin, wie ich immer dachte; dass ich durchsetzungsfaehiger bin, als ich annahm und dass ich das Recht habe, auch mal "Nein" zu sagen. Ich habe gelernt, mehr auf mich selbst zu achten - auf meine Wuensche, meine Interessen, meine Gefuehle und nicht nur danach zu streben, andere zufrieden zu stellen. Schliesslich ist das hier MEIN Jahr. Wenn man so lange Zeit weit weg ist von Familie, Freunden, bekannten Gesichtern und sein eigener engster Vertrauter ist, dann hat man eine Menge Zeit, ueber sich selbst nachzudenken. Ueber die eigenen Schwaechen, zum Beispiel, dass ich absolut schlecht darin bin, Entscheidungen zu treffen und seine Staerken - Ehrgeiz, Verantwortungsbewusstsein, Selbststaendigkeit. Ein Jahr ist genug Zeit, um sich komplett zu veraendern. Man waechst ueber sich selbst hinaus, tut Dinge, die man nie fuer moeglich hielt, gewoehnt sich einige Verhaltensweisen ab und andere dafuer wieder an. Ich persoenlich? Ich gehe mit mehr Selbstvertrauen durchs Leben, habe nicht mehr das Gefuehl, ich muesste allen gefallen und bin auf dem Weg, mich selbst zu finden.
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Ich habe auch viel ueber andere gelernt. Zum Beispiel, dass man jahrelang muehevoll in Freundschaften investieren kann und sich nach ein paar Monaten trotzdem nichts mehr zu sagen hat. Dass man fuer manche Menschen erst wieder interessant wird, wenn man etwas zu erzaehlen hat, oder einen Schlafplatz in New York anbieten koennte. Und, dass das auch absolut nicht schlimm ist. Denn es stoert mich von Tag zu Tag weniger. Ich weiss jetzt, auf wen ich zaehlen kann, wer sich selbst an den langweiligsten Tagen all meine uninteressanten Geschichten gerne anhoert und wer geduldig meine Heulerei ueber diese "grausame" Arbeit ertraegt, um mir am Ende zu sagen, dass ich den Mund halten soll, weil ich schliesslich in den USA bin und einen Traum vieler lebe. Ich weiss, dass ich noch ein paar wundervolle Freunde in Deutschland habe, mit denen ich auch nach ein paar Monaten ohne Kontakt einfach weiter machen kann, wo wir aufgehoert haben; und ich weiss, dass ich hier neue Freundschaften geschlossen habe, die fuer immer halten werden. Denn glaubt mir, als AuPair ist man immer auf seine Freunde angewiesen. Sei es ein kurzer ride zur Bank, Hilfe beim Umzug in eine neue Gastfamilie, ein Schlafplatz, falls man unerwartet aus dem Haus geschmissen wird, oder bloss die Moeglichkeit, nachts um zwoelf jemandem erzaehlen zu koennen, wie schrecklich Kinder sind. Ich bin so froh, sagen zu koennen, dass ich unglaublich tolle Menschen aus den verschiedensten Laendern kennen gelernt habe und "Freunde" nennen kann.
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Ich habe viel ueber die Welt gelernt. Jedenfalls ueber Deutschland und die USA. Zum Beispiel, dass Amerikaner von Grund auf freundlich zu allem und jeden sind. Viele halten das obligatorische "Hi, it's so nice to meet you" fuer oberflaechlich und sind schon nach wenigen Wochen vom ins Gesicht getackerten Laecheln genervt, aber ueberraschenderweise stoert es mich nicht im Geringsten. Dann ist da noch die Kaffee- und Geltungssucht einiger, das Beduerfnis im Sommer alle Haeuser in die Antarktis umzuwandeln (danke air conditioning fuer meine 5 Sommergrippen), aber dafuer im Winter bei jedem noch so minimalen Schneefall Schulfrei zu geben. Dass deutsche Tugenden, wie Fleiss, Puenktlichkeit, Ordentlichkeit und Gruendlichkeit hier sehr hoch angesehen sind, weil das genau die Werte sind, die bei den meisten Amerikanern fehlen. Deutsches Essen wird hier nicht ganz so geliebt wie deutsche Autos, das gute deutsche Bier jedoch schon. Deutsch sprechen kann sowieso jeder, weil es kaum Familien ohne deutsche Vorfahren gibt und deutsches Fussball wird auch gerne im Fernsehen verfolgt. Und trotzdem geht nichts ueber good ol' USA - land of the free, home of the brave; denn nirgends ist Nationalstolz so hoch angesehen wie hier. Und auch ich muss zugeben, dass ich schon die ein oder andere Traene vergiessen musste, als bei meinem ersten Footballspiel Tausende von Menschen mit Hand auf dem Herz, inbruenstig die Nationalhymne mitsangen.
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Ich habe viel ueber das Leben an sich gelernt. Vor allem wie kostbar und vergaenglich Zeit ist. Kaum zu glauben, dass schon ein ganzes Jahr vergangen ist, seitdem ich meinen Traum "Amerika" umgesetzt habe. Seitdem ich 18 Jahre meines Lebens in einen Koffer gepackt habe und in ein fernes Land geflogen bin, um bei fremden Menschen zu leben und hoffentlicch ein zweites Zuhause zu finden.
Jetzt, schon nach nur zwoelf Monaten kann ich sagen, dass ich hier nicht gluecklicher sein koennte. Die fremden Menschen, die mich von den orientation days abholten, sind zu meiner Familie geworden, zu meiner Unterstuetzung, meinem Rueckhalt und engsten Vertrauten. AuPairs, die ich zu Anfang mit einem schuechternen "Hi, I'm Jessy, nice to meet you" begruesste, sind nun einige meiner besten Freunde und ich weiss, dass einige dieser Freunschaften fuer immer sind. Ein Ort, der mir fremd war, in dem ich monatelang orientierungslos mit einem Navi umhergeirrt bin, nenne ich nun mein Zuhause. Ich kenne jeden Schleichweg, jede Gasse,, die schoensten Orte, um an einem warmen Fruehlingstag picknicken zu gehen und weiss, welche Strasse man um welche Uhrzeit meiden sollte. Ich habe einen Stamm-Starbucks, in dem die Bedienung mit Glueck schon meine Bestellung kennt und einen Lieblingssalat im Restaurant, um die Ecke. 12 Monate reichen, um sich ein komplett neues Leben aufzubauen.

Besonders heute bin ich mir mehr bewusst denn je, wie viel Glueck ich habe hier sein zu koennen. In den USA, in New York, aber vor allem in meiner Gastfamilie, denn ohne sie waere ich hier nur halb so gluecklich.
Zu meiner Gastfamilie. Zugegeben, anfangs war ich nicht so begeistert davon, mein Jahr mit drei kleinen Jungs zu verbringen und das beruehmte "das ist die perfekte Familie" Gefuehl hatte ich auch nicht wirklich. Umso schoener, sagen zu koennen, dass ich es nicht haette besser treffen koennen. Und damit meine ich nicht eine grosse Villa mit Pool und Bediensteten, Luxusurlaube oder 20-Stunden-Arbeitswochen.  Nein. Damit meine ich eine Familie, die mich von Anfang an genommen hat, wie ich bin. In der ich genauso viel Mitspracherecht habe, wie meine Gasteltern oder die Kinder. In der ich das ganze Wochenende mit Chips und Schlafanzug auf der Couch verbringen kann, ohne seltsame Blicke zu ernten. In der ich ein vollwertiges Familienmitglied bin, wie jeder andere.
Ob das nun bedeutet, dass ich am Wochenende spontan auf einen Kaffee bei den Grosseltern vorbeischauen kann, wie in Deutschland bei meinen eigenen; den Ostersonntag mit meiner Gastmutter und einer Flasche Wein im Bett verbringe; oder ich weiss, dass ich auch bei den engsten Freunden meiner Gasteltern jederzeit willkommen bin.
Und klar habe ich auch schlechte Tage. Denn schliesslich gibt es bei allen Dngen im Leben positive und negative Seiten. Und glaubt mir, davon gibt es hier auch genuegend. Manchmal will ich einfach tagelang niemanden sehen. Dann hab ich keine Geduld fuer die Kinder, sehe die Arbeit als Qual, dann vergehen die Wochen schleichend langsam und auch am Wochenende kommt kein richtiges Gluecksgefuehl auf. Dann bin ich tagelang wuetend auf meine Gastmutter, bin von allem genervt, was die Kinder tun oder sagen und frage mich, warum ich mir noch weitere neun Monate davon antue. Aber wie bei einer Achterbahnfahrt, ist diese Down-Phase auch schnell wieder vorbei. Dann folgen die guten Tage, in denen ich menie Zeit mit den kids geniesse, meine Abende mit meinen Gasteltern, Wein und einem guten Film verbringe und mir selbst zehn Ueberstunden nichts ausmachen. Dann sagen mir die kids, wie sehr sie mich lieben, meine Gasteltern, dass sie mich gerne adoptieren wuerden und die Wochenenden werden absolute Highlights. An diesen Tagen wuenschte ich, ich koennte fuer immer bleiben.
Aber leider ist mir schmerzlich bewusst geworden, dass das nicht moeglich ist. Jedenfalls noch nicht, denn schliesslich braucht Deutschland mich auch. Und in gewisser Weise freue ich mich auch. Auf meine Familie, meine Freunde, meine Heimat und vor allem darauf, endlich wieder mein Gehirn benutzen und studieren gehen zu koennen. Und ich weiss, dass wenn ich mich in neun Monaten unter Traenen von meinem Leben in der USA verabschieden werde, es kein Abschied fuer immer sein wird. Denn das wichtigste, was ich in diesem Jahr gelernt habe ist, dass ich, genau wie in Deutschland, auch in der USA eine Familie habe, die geduldig darauf wartet, dass ich eines Tages wieder zurueck "nach Hause" komme.

On that note.. Hier ein paar listings, fuer die unter euch, die den Roman nicht lesen wollen :D

Top 5 Highlights:

1, Florida Urlaub
2. 4. Juli in Washington DC feiern.
3. Thanksgiving miterleben.
4. Mein erstes Football Spiel
5. Limofahrt durch NYC.


Top 5 Dinge, dich ich ueber mich selbst gelernt habe:

1,, Ich bin nicht so geduldig, wie ich dachte.
2. Ich kann nicht nein sagen.
3. Im Gegensatz zu vielen anderen AuPairs liebe ich die USA und koennte mir tatsaechlich vorstellen, hier zu leben.
4. Ich bin schlecht im Sparen.
5. Dass ich Reisen liebe und dies definitiv nicht mein letztes Abenteuer gewesen ist.


Top 5 Dinge, die ich dazu gelernt habe:

1, Ich habe das Recht dazu, nein zu sagen.
2. Ich sollte mehr auf mich selbst achten und mich nicht nur nach anderen richten.
3. Ich gehe selbstsicherer durchs Leben.
4. Ich gehe offener auf andere Menschen zu und bin viel besser im smalltalk :D
5. Amerikaner scheinen mich zu lieben :D


Top 5 Dinge, die ich an Deutschland vermisse:

1. Relativ gut erzogene Kinder.
2. Gutes Deusches Essen, auch wenn ich es nicht so gemocht habe, als ich noch in Deutschland war.
3. Die Tatsache, dass Deutsche tatsaechlich dazu in der Lage sind, Auto zu fahren.
4. Dass man so lange wie man will in Restaurants sitzen bleiben kann und nicht schon beim Essen, die Rechnung bekommt.
5. Gut isolierte Haeuser.


Top 5 Dinge, die ich an der USA vermissen werde:

1. Selbst ein 1,50$ Wasser mit Karte bezahlen zu koennen.
2. Starbucks.
3. Die Freundlichkeit und Offenheit der Menschen und dass man sich mit jedem ueber alles unterhalten kann.
4. New York City.
5. Den New Yorker Lifestyle,


Top 5 Staedte, die ich bis jetzt gesehen habe:

1. New York City. Zwar teilweise haesslich, zu laut und dreckig, aber nichts geht ueber das Gefuehl, an der Grand Central Station auszusteigen und vom New Yorker Flair umgeben zu sein. ♥
2. Washington DC. Wunderschoen, sauber, ruhig und Georgetown ♥
3. Key West. Paradies pur, mehr kann ich dazu nicht sagen! ♥
4. Boston. Einfach eine wunderschoene Stadt, mit schoenen alten Haeusern, einem suessen Hafen und netten Menschen.
5. Newport. Urlaubsfeeling pur, wunderschoener Strand und Landschaft, tolle Atmosphaere und suesse Innenstadt.


Top 5 Orte, die ich noch sehen moechte:

1. Grand Canyon
2. Hawaii
3. San Francisco
4, New Orleans
5. Nashville


Mein Jahr in 5 Songs:

1. Greatful Dead - Scarlett Begonias

Das Lied, was bei uns im Haus ununterbrochen laeuft und mir mittlerweile schon ein Gefuehl von "Heimat" gibt.



2, Jay Z ft. Alicia Keys - Empire State of mind

Sozusagen die New Yorker Hymne.



3. Lady Gaga - You and I

Das Lieblingslied von mir und meiner Gastmutter.




4. Meghan Trainor - All about that bass

Das Lied, was ununterbrochen im Radio lief, als ich gerade in der USA angekommen bin und immer noch ein Gluecksgefuehl bei mir ausloest.




5. Marc Ronson ft. Bruno Mars  - Uptown Funk.

Das Lieblingslied meiner Kids. Und auch wenn ich es persoenlich hasse, ist es trotzdem unwahrscheinlich niedlich, wenn selbst mei 3-jaehriger jedes Wort aus vollem Hals mitsingen kann.





Und schliesslich... Mein Jahr in 10 Bildern:


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